Formenbau, Tischlerei und 3D CNC-Fräsung

Artikel aus der Fachzeitschrift: genau 01-02/2019
Text & Foto: THOMAS VAHLE

Großes in Form bringen

Carsten Schroer möchte das, was eigentlich kein Unternehmer will: Mitarbeiter, die negativ denken. Warum ist das für den Tischlermeister so wichtig?

Wenn die Kunden von Carsten Schroer ihre fertigen Aufträge abholen, dann steht auch schon mal ein Tieflader auf dem Hof des Tischlereibetriebs. Und seine Kunden gehen nicht gerade zaghaft mit seinen Produkten um. Für gewöhnlich füllen sie sie mit Beton. „Heraus kommen dabei dann Kreisverkehre, Brückenteile oder komplette Lärmschutzwände“, erzählt der Tischlermeister aus dem kleinen Ort Velen unweit der niederländischen Grenze. Der 44-Jährige hat sich seit mehreren Jahren auf den Formenbau spezialisiert, er stellt Gussformen für Betonteile her.

Das hört sich zunächst einmal einfach an: Latten und Schaltafeln zusammenkloppen und wenn irgendwo etwas heraus läuft noch schnell eine Latte drübernageln. Schroer lacht: „Ganz so einfach ist es nicht, wir haben Toleranzen von einem Millimeter“, sagt er.

Wie im Messebau wird alles im Schroerschen Betrieb vorbereitet, damit es auf der Baustelle möglichst keine Probleme gibt. Ist eine Form nicht dicht oder platzt womöglich, laufen viele Kubikmeter Beton dorthin, wo sie niemand haben will. Haben Schroer und seine Leute einen Denkfehler gemacht, ist das spätere Gussteil nicht korrekt. „Ich brauche hier Mitarbeiter, die negativ denken können“, sagt der Tischlermeister und lacht dabei über das ganze Gesicht. Natürlich sollen seine Kollegen nicht den ganzen Tag missgelaunt durch die Gegend laufen, sondern sich in eine Negativform hineindenken können. Und das kann man lernen: Schroer hat sich dafür drei Jahre sehr intensiv mit dem Formenbau auseinandergesetzt. „Dass ich mich als Tischler mit Holz gut auskenne, ist wichtig. Aber ich muss mich auch mit Beton und Stahl auskennen, um Formen in dieser Größe bauen zu können“, sagt er.

Die fertigen Betonteile haben später oft ein Gewicht von 40 bis 50 Tonnen – wenn da beim Guss etwas schiefgeht, ist das nicht nur eine riesige Schweinerei, sondern dazu auch noch sehr kostspielig. „Alles muss passen, ausprobieren können wir vorher nicht“, bringt es Schroer auf den Punkt.

Mit großen Schritten unterwegs

Heute entstehen ganz große Teile in der Tischlerei im Velener Gewerbegebiet. Dabei hat alles mal so klein und harmlos angefangen: Nach seiner Meisterprüfung 1996 hat Schroer in der Garage seiner Eltern im Nebenerwerb eine Tischlerei eröffnet und sich dort mit vergleichsweise filigranen Arbeiten im Messe- und Yachtbau beschäftigt. Auch seine Arbeiten als Restaurator im Handwerk waren noch eher klein teilig.

2004 kam bei Schroer und seiner Frau Steffi der Wunsch auf, ein Haus zu bauen. Die Schroers entschieden sich für einen Standort im neuen Gewerbegebiet, wo sie nicht nur ein Haus, sondern auch eine Halle bauen konnten. Das Nebengewerbe gab Schroer aber erst 2010 auf. „Damals habe ich mit dem Formenbau angefangen und auch meinen ersten Auszubildenden eingestellt“, erzählt der Tischlermeister. Ein Jahr später kam der erste Geselle dazu, noch ein Jahr später ein weiterer Auszubildender. „Das waren für mich alles sehr große Schritte“, berichtet Schroer. Heute beschäftigt er drei Gesellen, einen Azubi und zwei Rentner als Teilzeitkräfte.

Wenn es sein musste, hat er Investitionen nie auf die lange Bank geschoben: „Der Neubau war eine richtige Entscheidung und ohne das CNC-Bearbeitungszentrum könnten wir unsere Arbeit nicht machen“, umreißt Schroer die größten Investitionen. Gerade erst hat er einen 3D-Scanner angeschafft, von dem er sich neue Impulse für die Arbeit verspricht: „Aber da muss ich mich erst einfuchsen, dann sehen wir weiter.“

Der Formenbau ist aber nicht das einzige Standbein des vorsichtigen Westfalen. Ein weiteres Feld ist der Modellbau – nicht kleinteilig für das Wohnzimmerregal, sondern beispielsweise für die Hersteller von Baumaschinen: Bevor Türen oder Aufbauten in der Blechpresse entstehen, baut Schroer auf seiner CNC-Maschine davon 1:1-Modelle aus Multiplex-Platten. „Heute bezeichnet man das als Losgröße 1. Das ist für uns nichts Neues, das machen wir im Modellbau nur“, sagt Schroer selbstbewusst.

Auch für die Möbelindustrie bauen der Velener und seine Mannschaft Prototypen: „Große Radien und komplizierte Gehrungsschnitte sind da gerade angesagt“, berichtet er. Dem Yachtbau und den Restaurierungen ist der Betrieb auch weiter verbunden geblieben: So entstehen hier seetaugliche Schränke, in denen die teuren Weingläser auch bei stärkstem Seegang noch sicher sind. „Seit Jahren rückläufig sind die Restaurierungen, das Geschäftsfeld ist aber nicht weg“, sagt Carsten Schroer. Dafür sollen in absehbarer Zeit Formen für High-End-Lautsprecher das Programm erweitern. Damit wäre Schroer dann wieder bei den etwas kleinteiligeren Arbeiten – wenn mal gerade keine Brücken zu bauen sind.


Carsten Schroer setzt sich gern mit neuer Technik auseinander. Seine neueste Anschaffung ist ein Scanner ...


... in dessen Bedienung und Möglichkeiten er sich aber erst noch einfuchsen muss.


Der erste Azubi und der erste Geselle waren große Schritte, heute arbeiten insgesamt sechs Mitarbeiter in der Tischlerei in Velen.